Wird geladen...

Coffee_and_chemistry

Warum haben Sie Chemie studiert?

Meine Mutter arbeitet in einer Krankenhausapotheke, so hatte ich Kontakt mit Labortätigkeiten, was mich sehr fasziniert hat. Ich fing mit Chemie an, weil ich sah, dass der Weg in die pharmazeutische Forschung nur über ein Chemie- oder Biotechnologiestudium führt.

Wie fängt man am besten das Chemie-Studium an?

Das kommt darauf an, welche Fächer man in der Oberstufe belegt hat. Wer Chemie studiert, muss auch in Mathe und Physik gut sein. Da das Wissen aus der Oberstufe vorausgesetzt wird, erspart ein Vorkurs viel nachträgliches Lernen. Wer allerdings vor dem Studium noch etwas erleben will oder arbeiten muss, der ist damit nicht gut beraten.

Wie zeitaufwändig ist ein Chemiestudium?

In Heidelberg war ich von 8 bis 18 Uhr an der Universität. Schon für das Labor braucht man fünf Stunden täglich, exklusive Vor- und Nachbereitung. Dazu kommt das Lernen auf die Klausuren. Es ist insgesamt mehr als ein Vollzeitjob. Mit 40 Stunden an der Uni ist es nicht getan.

Wie sind die Laborkurse aufgebaut?

Das variiert nach Universität, ich war zunächst an fünf Tagen in der Woche jeweils fünf Stunden im Labor. Jeder Kurs hat ein Überthema, das erste Semester beginnt mit Grundlagen im Labor, im zweiten Semester lernt man quantitative Analysemethoden und anorganische Grundladen, im dritten Semester geht es weiter mit dem organisch-chemischen Grundpraktikum und im vierten Semester physikalisch-chemisches Praktikum, mit einzelnen Versuchen und größeren Protokollen, da hat man dann nicht jeden Tag Praktikum, da die Aufarbeitung der Protokolle viel Zeit braucht. Im 5. Semester kommt dann das Fortgeschrittenen-Praktikum.

Unterscheidet sich das Chemiestudium denn an den Universitäten?

Ja. Bei einigen Universitäten beginnt die Spezialisierung schon im Bachelorstudium. An der Universität Heidelberg gibt es lediglich ein Wahlfach, ansonsten wird breitgefächert studiert. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn man weiß, in welche Richtung man will, ist ein spezialisiertes Studium super. Aber man kann sich auch irren. Viele meiner Kommilitonen dachten, Laborarbeit ist ihr Ding und haben dann festgestellt, dass ihnen das doch nicht liegt. Ich denke, für das Grundstudium ist es tatsächlich besser, erst einmal alle Möglichkeiten kennen zu lernen. Dann gibt es noch Unterschiede in der Modulabfolge. Es gib Unis da wird Thermodynamik als erstes gelehrt und Quantenmechanik danach. Andere machen es umgekehrt. Wenn die Abfolge festgelegt ist, kann man viel Zeit verlieren, wenn man an einer bestimmten Prüfung scheitert. Der letzte Punkt ist die Creditvergabe. Der Arbeitsaufwand an den Universitäten wird unterschiedlich bewertet. Teilweise muss man mehr leisten, um Credits zu erhalten. Eigentlich sollte das Bachelor-Master-System dazu führen, dass das Studium einheitlicher wird und den Wechsel erleichtern. Durch die unterschiedliche Creditvergabe wird aber genau das erschwert.

Sie sind jetzt Doktorandin und haben sich auf ein Fachgebiet spezialisiert, auf was genau?

Auf organische Chemie, ich entwickle neue Materialien für den 3D-Druck. Das Thema ist im Moment allgegenwärtig und ich wollte etwas machen, das ich praktisch einsetzen kann. Deshalb waren Materialwissenschaften für mich die Wahl.

Gibt es einen Unterschied ob man als Mann oder Frau Chemie studiert?

Ja. In der Chemie gibt es anfangs ein ausgewogenes Verhältnis bei den Geschlechtern, aber noch nicht 50:50. Mädchen werden einfach weniger ermutigt, ein naturwissenschaftliches Fach zu studieren. Meine persönlichen Erfahrungen im Studium sind, dass je geringer die Frauenquote im Lehrkörper ist, desto holpriger ist der Weg für die Frauen. Der Sexismus zeigt sich mehr oder weniger offen. Mir wurde von einem Prüfer geraten, weniger Zeit vor dem Spiegel zu stehen und Makeup aufzutragen. Mein Kommilitone kam in Jogginghosen und verdrecktem T-Shirt, er wurde nicht angesprochen. Je weiter man aufsteigt, desto mehr muss man sich rechtfertigen, ob man nur eine Quote erfüllt. Ich denke trotzdem, eine Quote macht erst Sinn, wenn genügend geeignete Kandidatinnen da sind. Bei Männern wird die Eignung seltener in Frage gestellt. Ich denke jedoch, es gibt in den nächsten zehn Jahren einen Wandel.

Wie hoch ist die Abbruchrate?

Wir waren etwa 180 Studierende zu Beginn. Ich schätze, dass davon 60 Prozent den Bachelor gemacht haben. Viele gehen, nicht weil sie schlecht sind, sondern weil sie diesen Arbeitsaufwand einfach nicht stemmen können oder wollen. Man hat ja auch noch andere Dinge, die im Leben wichtig sind.

Sie sind sehr präsent in den Sozialen Medien, ihr Instagram Account heißt übersetzt "Kaffee und Chemie". Was wollen Sie damit erreichen?

Mein Account entstand im ersten Lockdown, als ich für das Hector-Seminar eine Veranstaltung vorbereiten musste. Der praktische Teil konnte nicht stattfinden, also erklärte ich in kurzen Clips, warum Honig kristallisiert und was man dagegen machen kann. Diese Clips habe ich auf meinem privaten Instagram Kanal veröffentlicht. Die Resonanz war riesig. Viele Leute hatten Fragen, zur Temperatur und allen möglichen Parametern. Ich konnte Menschen begeistern, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund hatten. Im zweiten Lockdown habe ich dann auf Englisch umgestellt, weil die Science-Community im Ausland größer ist. Anfangs habe ich noch sehr viele Bilder aus Cafés gepostet. Ein guter Mix aus Kaffee und Chemie. Daher der Name @coffee_and_chemistry.