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Für die härtesten Bedingungen: Lena Sühling entwickelt Lack für Windkraftanlagen

Eine Ausbildung und ein Studium in 5 Jahren zu absolvieren, das ist eine reife Leistung. Wie haben sie das geschafft?

Meine Ausbildung war ein Studium Plus, eine Art Kombilösung, das bei FreiLacke angeboten wird. Ich absolvierte eine verkürzte Ausbildung zur Lacklaborantin und anschließend studierte ich an der Hochschule in Esslingen Chemieingenieurwesen für Farbe und Lack. Das Studium ist ein Vollzeitstudium, das heißt ich war zu den Vorlesungszeiten an der Hochschule und während der vorlesungsfreien Zeiten im Unternehmen und habe kleinere Projekte betreut und im Tagesgeschäft unterstützt. Auch die Bachelorarbeit und das Praxissemester habe ich intern und bei einem Kunden gemacht. Es ist ähnlich wie ein Duales Studium, es soll Praxis und Theorie zusammenbringen.

Was ist ihr Job, was machen sie als Lackingenieurin?

Ich bin mit der Entwicklung von Beschichtungssystemen für Compositeteile betraut, mein Job ist spezialisiert auf die Beschichtungslösungen für Windkraftanlagen, also Rotorblatt und Turm. Meine Aufgabe ist die Produktentwicklung für spezielle Anforderungen der Kunden, was Beständigkeit gegen Regenerosion und Witterung angeht. Auch Ansprüche an den Farbton, Glanz, die Oberflächenbeschaffenheit und das Applikationsverhalten, gehören zu meiner Arbeit. Ich entwickle einen Lack, diesen prüfe ich, dann optimiere ich. Als Ingenieurin interpretiere ich Messergebnisse, trage Daten zusammen und bereite diese zur Präsentation vor der Geschäftsleitung und den Kunden auf.

Was sind denn bei Windkraftbeschichtungen die besonderen Ansprüche?

Das Besondere ist, dass hier kein metallischer Untergrund vorhanden ist, sondern ein Compositebauteil, mit einer anderen Beschaffenheit. Dazu kommen die rauen Bedingungen, denen die Rotorblätter ausgesetzt sind. Wir haben an der Spitze Geschwindigkeiten von 300 km/h und wenn dort Regentropfen oder Hagel aufschlagen, wirken die wie Geschosse, dazu kommt die Witterung wie Sonnenstrahlung und Luftfeuchteschwankung. Wenn das Windrad offshore steht, bedeutet das zusätzlich Salzbelastung oder in Wüstengebieten die Erosion durch Sand. Der Lack muss selbst bei diesen Umgebungsbedingungen für eine bestimmte Dauer beständig sein. Wir arbeiten deshalb mit verschiedenen Forschungsinstituten zusammen, wie dem Fraunhofer Institut. Gemeinsam wird am Prüfstand untersucht, wie ein Lack beschaffen sein muss, um bestmöglich beständig zu sein. Dazu testen wir verschiedene Elastizitäten, Bindemitteltechnologien und andere Varianten in den Lackrezepturen.

Welche Produkte werden sonst noch bei FreiLacke hergestellt?

Wir produzieren Industrielacke unter anderem für Leichtmetallräder, Heizkörper, Stapler, Funktionsmöbel, Schaltschränke und Landmaschinen, sowie Lackierungen für Briefkästen, aber auch Haltestangen in Bussen. Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten, auch Duschwannen gehören dazu.

Freilacke ist ein mittelständisches familiengeführtes Unternehmen. Können sie uns die Vorteile davon nennen?

In unserem Unternehmen wird sehr viel Wert auf eine gute Ausbildung gelegt. Zu meinem Studium gehörte ein Praxissemester. Dafür durfte ich zu einem Kunden von uns in die USA gehen, in eine Lackieranlage. So hatte ich die Möglichkeit, ein großes Unternehmen kennen zu lernen. Das hat mich sprachlich und persönlich extrem weitergebracht. Ich durfte zwei Wochen davor nach Manchester in England zum Sprachkurs. Jeder der ins englischsprachige Ausland geht bekommt so einen Kurs und interne Unterstützung. Außerdem kennt man sich im Unternehmen, weil wir kein riesiger Konzern sind. Es sind kurze Wege, man weiß genau wen man ansprechen muss, wenn man ein Anliegen hat.

Was empfehlen sie Abiturienten, um den richtigen Job zu finden?

Praktika sind eine gute Möglichkeit, um sich zu orientieren und dafür sollte es auch im Gymnasium mehr Zeit geben. Das einwöchige Bogy-Praktikum war für mich ein Glücksfall, ich machte es dort, wo ich später angefangen habe. Für mich war das Praktikum eine gute Möglichkeit, um mir vorstellen zu können, was mir beruflich Spaß macht. Bei uns werden die Praktikanten von den Azubis betreut und erfahren so, was im Studium oder in der Ausbildung gemacht wird. Dadurch ist die Betreuung auf Augenhöhe und die Hürde auch nicht so groß, Fragen zu stellen.

Zuletzt: Lackingenieure werden gesucht, hört man. Stimmt das überhaupt?

Die Lackchemie spielt im Schulunterricht leider keine Rolle, das ist schade. Ich selber bin über eine Notlösung in den Bereich Lack gekommen, eigentlich wollte ich ein Praktikum bei einem großen Chemie- oder Pharmakonzern machen, da gab es aber keine Plätze mehr. Dann bin ich zu FreiLacke gegangen. Ich konnte mir davor nicht vorstellen, wie viel Chemie in einem Eimer Lack steckt. Es ist ein Problem der Lackindustrie, dass sie chemisch nicht so präsent ist, obwohl sie ein großer Teil der chemischen Industrie ist. Auch die Studierendenzahlen des Studiengangs sind klein, er ist wenig bekannt. Aber genau dadurch gibt es nur wenige Absolventen und so ergeben sich hervorragende Berufsaussichten.