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Lieferengpässe, Rohstoffpreise, Transformation: Chemie will investieren statt verteilen

Baden-Baden. Die Tarifrunde geht bald los, die Gewerkschaft fordert wegen der Inflation deutlich mehr Lohn. Die Unternehmen wiederum stöhnen selbst unter Preissteigerungen und Lieferengpässen. Was ist in dieser Situation drin für die Beschäftigten? aktiv sprach darüber mit Andreas Schmitz, dem Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands Chemie Baden-Württemberg.

„Lohnplus oberhalb der Inflation“: Diese Forderung der Gewerkschaft scheint doch verständlich – oder?

Nur begrenzt. Fakt ist doch: Die Entgelte der Chemiebeschäftigten sind in den letzten zehn Jahren doppelt so stark gestiegen wie die Verbraucherpreise! Einen Nachholbedarf sehen wir hier deshalb nicht.

Aber wegen der Inflation bleibt weniger im Einkaufswagen …

Die Inflation trifft die Industrie doch genauso! Viele Unternehmen stemmen aktuell eine Mehrfachbelastung. Da sind die Lieferengpässe. Die enormen Preissteigerungen bei den Rohstoffen, beim Erdgas und beim Öl. Und dazu die schwache Nachfrage mancher Kundenbranchen. Es gibt fast keine Firma, die nicht mindestens eine dieser Herausforderungen zu bewältigen hätte. Ein deutliches Entgeltplus würde diese Mehrfachbelastung noch verstärken.

 

2021 war für die Branche im Südwesten ein erfolgreiches Jahr. Was spricht da gegen ein Lohnplus?

Ja, es war ein ziemlich gutes Jahr. Aber: Die öffentliche Wahrnehmung wird einseitig geprägt von einigen großen Unternehmen, denen es recht gut geht. Dem Großteil geht es ganz okay, einige haben Probleme. Hersteller von Arzneimitteln oder Kosmetika sind besser dran als Zulieferer der schwächelnden Auto-Industrie. Die Branche ist sehr ungleich unterwegs. Wir wollen daher in Baden-Württemberg Tarifstandards, bei denen alle mitgehen können, jede der über 200 Firmen im Arbeitgeberverband mit insgesamt 72.000 Mitarbeitenden. Im Übrigen würdigen eine Reihe von Unternehmen, auch Mittelständler, die Leistung ihrer Beschäftigten bereits mit Prämien oder Bonuszahlungen.

Warum sind die Arbeitgeber in dieser Runde so zurückhaltend?

Im Klartext: Wir sprechen nicht von einer Nullrunde – aber wir müssen doch die gewaltigen Herausforderungen im Blick haben! Die Branche steht vor einem riesigen Umbruch. Wir müssen die Produktion klimaneutral umbauen, bei Kunststoffen die Kreislaufwirtschaft forcieren und die Digitalisierung vorantreiben. Das erfordert enorme Investitionen, damit die Chemie-Industrie und die Jobs zukunftssicher bleiben.

Geht es in der Tarifrunde nicht auch um die Ausbildung?

Definitiv. In den Pandemie-Jahren ist die Zahl der Bewerber sehr stark zurückgegangen: Die Betriebe können nicht mehr alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Das muss sich wieder ändern! Der Arbeitgeberverband wirbt deshalb seit Mitte Februar in Baden-Württemberg mit Plakaten, in Radiospots und in sozialen Netzwerken für eine Ausbildung in der Chemie, Motto: #ausbildungzukunftgestalten. Und wir laden die Gewerkschaft ein, diese Kampagne zu unterstützen.